BZ-Artikel: Ist der Freiburger CSD nur noch eine laute Technoparty?

BZ - Badische Zeitung

Nicht nur Stadt und Polizei klagen über den Freiburger CSD: Auch aus der Szene häuft sich die Kritik – die Demonstration werde durch linksautonome Kreise vereinnahmt, lautet der Vorwurf.

Wird der Christopher Street Day (CSD) in Freiburg seinem ursprünglichen Anliegen gerecht oder ist er nur noch eine laute Technoparty? Die Kritik an der Veranstaltung wird in der schwul-lesbischen Szene lauter. Linksautonome Kreise würden den CSD für ihre Ziele vereinnahmen, lautet ein Vorwurf. Nach der Veranstaltung mit 6000 Teilnehmern vor zwei Wochen ziehen zudem Stadtverwaltung und Polizei eine negative Bilanz. Wegen massiver Verstöße gegen die Auflagen erwartet die Veranstalter sogar eine Strafanzeige.

Die Teilnehmerzahl wächst rasant

Der CSD 2017 war für die Veranstalter ein Erfolg. Rund 6000 Teilnehmer zogen feiernd durch die Stadt – doppelt so viele wie im Jahr davor. Doch es gibt auch Kritik. Nicht nur bei Stadt und Polizei, sondern auch in der Community der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (englische Abkürzung: LGBT). Viele aus der Szene fühlen sich offenbar durch den CSD nach Freiburger Art nicht mehr repräsentiert. Ein Engagierter, der einen guten Überblick hat, aber nicht mit Namen in der Zeitung stehen will, formuliert es so: „Beim Christopher Street Day in Köln waren mehr Schwule und Lesben aus Freiburg als beim CSD in Freiburg.“

Es gebe Frust, auch wegen des Auftretens von Aktivisten aus dem Spektrum von Wagenburglern und Antifa. Der CSD sei politisch überladen – die Botschaft reiche vom Antikapitalismus bis hin zur komplett veganen Ausrichtung der Veranstaltung. Dabei kämen die Botschaften viel zu kurz, die der LGBT-Gemeinde besonders am Herzen lägen.

Ein anderer Teilnehmer berichtet, dass viele seiner queeren Freunde den CSD boykottiert hätten. „Ich hatte auch das Gefühl, ich bin auf einer Technoparty“, sagt er. Sein Eindruck: Die meisten, die mitgemacht hatten, seien Heteros gewesen.

Ist der CSD politisch überladen?

Am deutlichsten geäußert hat sich – auch in sozialen Netzwerken – die Dragqueen Betty BBQ: „Lieber gar keinen CSD als so einen CSD“, sagt sie. Sie spricht von einem „Missbrauch der Szene“. Große Teile der Community blieben weg – auch gezwungenermaßen: Weil auch Tierrechte ein Anliegen der CSD-Organisatoren sei, hätten schwule Landwirte nicht teilnehmen dürfen. Betty BBQ hat genug: „Ich nehme an keinem CSD mehr teil, bei dem der offizielle Wagen unter der Fahne der Antifa fährt.“ Die Veranstalter ließen verbrannte Erde zurück.

Angespannt ist auch das Verhältnis zur Stadtverwaltung. In einem offenen Brief hatten die Organisatoren nach dem CSD Walter Rubsamen, den Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung, heftig kritisiert (die BZ berichtete). Rubsamen spricht von Verleumdung. Damit wolle der CSD-Verein von eigenen Fehlern und Versäumnissen ablenken.

„Lieber gar keinen CSD als so einen CSD“ Dragqueen Betty BBQ Rubsamen verweist auf ein Vorabgespräch, das in guter Atmosphäre abgelaufen sei. Negative Rückmeldungen habe es keine gegeben. Später verlegten die Veranstalter den Termin der Parade eine Woche nach vorne: Damit einige Gruppen am CSD in Köln oder bei den Protesten gegen den G-20-Gipfel in Hamburg teilnehmen konnten, wie die Organisatoren auf Nachfrage erläutert hätten. Mit dem Ablauf war die Stadtverwaltung nicht zufrieden: Es habe Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gegeben, so Rubsamen. Unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts sei eine Technoparty veranstaltet worden.

Harry Hochuli, Leiter des Polizeireviers Nord, verweist darauf, dass – entgegen der erteilten Auflagen – die Lautstärke der Musikwagen so hoch war, dass keine Kommunikation während der Parade mehr möglich war. „In 50 Metern Entfernung zum ersten Wagen wurden 103 bis 105 Dezibel gemessen“, erklärt Hochuli. Der Veranstalter sei während des Zugs „so gut wie nicht zu erreichen“ gewesen.

Organisatoren weisen Vorwürfe zurück

Auch der Revierleiter glaubt, dass immer weniger traditionelle queere Gruppen zum CSD kommen, dafür seien „linkes Störerpotenzial und Sympathisanten“ umso stärker vertreten. Und: Es sei extrem viel Alkohol geflossen. Auf der Eschholzstraße blockierten 200 teils alkoholisierte CSD-Teilnehmer die Straßenbahn. Nur „unter Zwang“, so Hochuli, konnten die Schienen geräumt werden. Zurück blieben leere Flaschen und ein Scherbenmeer. Nach dem CSD habe es viele Beschwerden von Anwohnern und Händlern gegeben. Polizei, Freiwillige Feuerwehr und eine Privatfirma reinigten die Straße nach der Blockade am Brasil.

Wegen Auflagen-Verstößen droht den Veranstaltern eine Strafanzeige. Die wissen davon nichts. Den Vorwurf der Vorherrschaft linksautonomer Gruppe weisen sie zurück. Und: Es habe während der Parade immer Kontakt zur Polizei gegeben. Auch die Kritik aus der schwul-lesbischen Community wollen sie nicht gelten lassen: „Das Orga-Team trifft sich jede Woche. Jeder, der mitmachen will, ist willkommen“, sagt Christian Kröper vom CSD-Verein. Man habe versucht, mehr Leute aus der Szene einzubinden: „Aber niemand kam.“ Dass viele lieber auswärts zum CSD gingen, habe mit dem Thema Outing zu tun. Auch den politischen Ansatz, der bewusst über die Thematik Homosexualität hinausgehe, hält man für richtig. Man sei aber dialogbereit, so Kröper mit Blick auf den nächsten CSD.


Quelle: https://www.badische-zeitung.de/der-christopher-street-day-steht-in-der-kritik–139362440.html