Leser*innenbrief zum Artikel der BZ: „Ist der Freiburger CSD nur noch eine laute Technoparty?“
Das Regenbogen Referat distanziert sich mit dem folgenden Leser*innenbrief an
die Badische Zeitung klar von der Darstellung der BZ in ihrem Artikel: „Ist der
Freiburger CSD nur noch eine laute Technoparty?“.
Schlechter Journalismus rettet den CSD Freiburg auch nicht
Das Regenbogen-Referat für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt des
AStA der Universität Freiburg hat die Artikel der Badischen Zeitung zum
CSD mit Bestürzung und Wut gelesen. Der Christopher Street Day geht auf
die Proteste in der New Yorker Christopher Street 1969 zurück, die sich
gegen Diskriminierung und Gewalt gegen queere Personen richtete. Auch
heute stellt der Christopher Street Day die Themen in den Vordergrund,
die aktuell die queere Szene beschäftigen, so zum Beispiel „Mein Herz
schlägt gegen Rechts“, das Freiburger Motto 2016, das sich unter
anderem mit der Gewalt gegen queere Menschen in Freiburg
auseinandersetzte. Das dominierende Thema dieses Jahres war die „Ehe
für Alle“, die im Vorfeld wochenlang medienwirksam diskutiert und am
Vortag der Demonstration beschlossen wurde – eine Tatsache, die sicher
auch den großen Andrang trotz Regenwetter erklärt. CSDs stehen damit in
der Tradition emanzipatorischer und politischer Proteste und sollen
genau deshalb laut, sichtbar und politisch sein. Ein Vergleich mit
einem Marathon hinkt schon allein deshalb, da eine politische
Demonstration, bei der es um Menschenrechte geht, etwas anderes ist als
eine Sport- und Spaßveranstaltung. Insbesondere in einer Stadt wie
Freiburg ist ein politischer, lauter und sichtbarer CSD relevant, denn
wie in einem kürzlichen Vernetzungstreffen queerer Organisationen
herauskam, haben queere Gruppen zu wenig Finanzmittel, kaum
hauptamtliche Stellen und zu wenige Räumlichkeiten. Außerdem ist in der
Stadtverwaltung keine explizite Ansprechperson für queere Belange
benannt. Das CSD-Team hat bereits in einem offenen Brief darauf
hingewiesen, dass z.B. von Seiten der Stadt vorgeschlagen wurde, den
CSD an der Messe abzuhalten. Damit sollte der CSD bereits im Vorhinein
von Seiten der Stadt seiner Sichtbarkeit beraubt werden.
Insbesondere die Diffamierung des CSD-Orgateams wollen wir kritisieren.
Das Organisationsteam, das ausschließlich ehrenamtlich eine der größten
Demonstrationen in Freiburg jedes Jahr organisiert, hatte nicht nur ein
ausführliches Positionspapier veröffentlicht, sondern auch mehrmals
teilnehmende Gruppen zu politischen Slogans aufgefordert. Dass der CSD
als eine unpolitische Technoparty wahrgenommen wird, ist damit nicht
die Schuld des CSD-Orgateams, sondern liegt an den einzelnen Gruppen,
die das Gesicht des CSDs bilden. Wir teilen die Kritik, insbesondere an
lauten, unpolitischen Techno-Wägen, die die Teilnahme für Menschen mit
sensorischen Behinderungen und die Teilnahme von Regenbogenfamilien
erschwerte. Allerdings sehen wir hier nicht das CSD-Orgateam in der
Verantwortung, sondern die Gruppen und Organisationen, die diese Wägen
organisieren.
Die BZ-Artikel widersprechen sich allerdings selbst: Zum einen wird
über die Darstellung des CSDs als Hetero-Technoparty der Anschein
erweckt, der CSD sei unpolitisch, gleichzeitig wird die Anwesenheit
politisch überladener linker Gruppen und linker Forderungen –
offensichtlich nicht die ‚richtige‘ Politik – kritisiert.
Unterdrückungsverhältnisse wie Homo- und Trans*Feindlichkeit hängen eng
mit anderen Unterdrückungsverhältnissen wie Rassismus, Sexismus oder
Behindertenfeindlichkeit zusammen, weswegen sie auch gemeinsam
thematisiert und dekonstruiert werden. Die Community wird hierbei nicht
missbraucht (so der zitierte Vorwurf von Betty BBQ, der auch noch
gesponsort über facebook verbreitet wurde), sie wird in einen größeren
emanzipatorischen Kampf eingebunden, ohne den eine wirkliche
Gleichstellung nicht zu erreichen ist.
Über die verwendeten Bilder in den Artikeln wie ‚Scherbenmeer‘ und
‚verbrannte Erde‘ werden auf plumpe Weise Vorstellungen von Zerstörung
und Gewalt evoziert und der CSD gezielt in eine Ecke mit den Hamburger
G20-Protesten gestellt: Den schwarzen Block Freiburgs gibt es fast
schon – noch tanzt er zu Techno unter der Regenbogen-Fahne. Damit wird
dem CSD seine wichtige politische Position abgesprochen. Artikel, die
über CSDs und die queere Community berichten, ohne die richtigen
Begriffe zu verwenden (oder Begriffe vergessen und unsichtbar machen
wie A_sexualität) und komplett auf geschlechtergerechte Sprache
verzichtet, die u.a. trans* und inter*-Personen sichtbar machen könnte,
tragen nicht zu einer konstruktiven, respektvollen Debatte bei, sie
diffamieren den CSD und die queere Community und machen wirklich
wichtige Anliegen unsichtbar. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass
Informant*innen ohne Angabe deren Namen und Positionen innerhalb der
Community mit schwammiger Kritik zitiert werden.
Ja, auch uns sind viele gegengeschlechtlich knutschende Paare auf dem
CSD aufgefallen. Abgesehen davon, dass es sich auch um bi+sexuelle
und/oder trans* bzw. inter* Personen handeln könnte – eine Kritik der
Vereinnahmung von cis-heterosexuellen Personen des CSDs darf sich
hierbei aber nicht an das CSD-Orga-Team richten, sondern an die
Gruppen, die wie Betty BBQ explizit heterosexuelle Personen
aufgefordert hatten, am CSD teilzunehmen.
Der bereits meinungsgefärbte Artikel sowie der Kommentar, die vom
selben Autor verfasst wurden und exemplarisch für schlechten
Journalismus stehen können, tragen nicht dazu bei, Debatten in der
Community zu eröffnen, sondern die Community zu spalten und
gegeneinander aufzubringen. Außerdem sind sie rufschädigend und
demotivierend für das CSD-Team, bei dem man sich nicht wundern muss,
wenn es den CSD wahrscheinlich nicht weiter organisieren will. Und
dann gibt es diese wichtige, politische Veranstaltung nicht mehr, die
vor allem dazu dient, auf Missstände aufmerksam zu machen. Genau dies
ist das Ergebnis solcher Artikel und von städtischer Gleichgültigkeit.
Viele queere Gruppen haben dagegen bereits beschlossen, sich im
nächsten Jahr stärker in die Organisation des CSDs einzubringen. Das
ist konstruktiv.
Wir solidarisieren uns hiermit mit dem CSD-Team und danken ihm für
seine großen Mühen.
Das Regenbogen-Referat für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt des
AStA der Universität Freburg ist die studentische Interessensvertretung
der schwulen, lesbischen, bi+sexuellen, a_sexuellen, trans*, inter*,
poly* und queeren Studierenden der Universität. Kontakt:
referat-regenbogen@mail.stura.uni-freiburg.de
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