Baden-Württemberg wird Freiheitsraum für lesbische schwule, bisexuelle, trans-, intersexuelle und queere Menschen. Die Mehrheit des Landtags stimmte am 10.11.2022 für den SPD-Antrag. Es gab ergänzende Anträge von Grünen, CDU, SPD und FDP.
Landtag von Baden-Württemberg
17. Wahlperiode
Drucksache 17 / 3546 – 10.11.2022
Änderungsantrag
der Fraktion GRÜNE,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der FDP/DVP
zu dem Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/3363
Baden-Württemberg wird Freiheitsraum für LSBTIQA+ – Personen
hier: Aktiv für Akzeptanz, Gleichstellung und gesellschaftlichen Zusammenhalt – Baden-Württemberg als Freiheitsraum für LSBTTIQ-Personen
Der Landtag wolle beschließen,
dem Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/3363 – in folgender Fassung zuzustimmen:
I. festzustellen,
- dass es sich bei den Rechten von LSBTTIQ-Personen um Menschenrechte handelt und dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, weshalb Verstöße gegen die Grundrechte von LSBTTIQ-Personen weder in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch in anderen Staaten der Welt hinnehmbar sind;
- dass es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Baden-Württemberg essenziell ist, dass alle Menschen frei, sicher und in gegenseitigem Respekt voreinander zusammenleben – unabhängig von Alter, Herkunft, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder chronischer Krankheit;
- dass Baden-Württemberg bereits 2012 der Charta der Vielfalt beigetreten ist, um zu bekräftigen, dass in unserem Land eine Kultur der Förderung und Wertschätzung von Vielfalt gepflegt und fortentwickelt wird, auch in der Landesverwaltung;
- dass die Landesregierung bereits seit 2015 den in einem breit angelegten Beteiligungsprozess und in Zusammenarbeit mit allen Ministerien entwickelten Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg“ umsetzt, der die Öffentlichkeit für das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sensibilisiert und durch vielfältige Maßnahmen der Ausgrenzung und Benachteiligung von LSBTTIQ-Personen entgegenwirkt;
- dass die Landesregierung bereits 2018 die Antidiskriminierungsstelle des Landes Baden-Württemberg eingerichtet hat, die als Erstanlaufstelle für alle von Diskriminierung betroffenen Menschen zur Verfügung steht und darüber hinaus die Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure der Antidiskrimi- nierungsarbeit im Land fördert;
- dass Straftaten gegen LSBTTIQ-Personen der politisch motivierten Hasskriminalität zuzuordnen sind, deren Bekämpfung und Eindämmung einen fortwährenden strategischen Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit in Baden-Württemberg durch den Einsatz von spezialisierten Ermittlerinnen und Ermittlern zur konsequenten Strafverfolgung darstellt;
- dass mit der Meldestelle „respect!“ des Demokratiezentrums Baden-Württemberg eine bundesweit agierende Ansprechstelle im Land besteht, um Hasskriminalität im Netz gegen LSBTTIQ-Personen anzuzeigen;
- dass Bund und Länder auf Grundlage des entsprechenden Beschlusses der Innenministerkonferenz stetig daran arbeiten, Präventions- und Bekämpfungsansätze zum Schutz vor Gewalt gegen LSBTTIQ-Personen zu entwickeln und diesbezügliche Handlungsempfehlungen zu definieren;
- dass mit der Einrichtung des Kabinettsausschusses „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ unter Vorsitz des Innenministers eine weitere wichtige Grundlage dafür gelegt wurde, um unter der Beteiligung Betroffener ressort- und professionsübergreifend Maßnahmen zu entwickeln, die unter anderem auch der Bekämpfung der Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität dienen und damit einen Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Baden-Württemberg leisten;
II. die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2021 mit Blick auf die Europäische Union zu bekräftigen und Baden-Württemberg zum „Freiheitsraum für LSBTTIQ-Personen“ zu erklären;
III. die Landesregierung zu ersuchen, ihren Einsatz für die Gleichstellung von LSBTTIQ-Personen auf Basis des Aktionsplans „Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg“ in allen Lebensbereichen und auf allen politischen Ebenen engagiert fortzuführen;
IV. die Landesregierung zu ersuchen, die Arbeit im Kabinettsausschuss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ kraftvoll fortzusetzen und dabei weiterhin auch die Bekämpfung von Hasskriminalität gegen LSBTTIQ-Personen zu berücksichtigen.
10.11.2022
Andreas Schwarz, Hildenbrand
und Fraktion (GRÜNE)
Hagel, Huber
und Fraktion (CDU)
Stoch, Wahl
und Fraktion (SPD)
Dr. Rülke, Trauschel
und Fraktion (FDP)
Begründung
Baden-Württemberg setzt sich aktiv für die Akzeptanz und Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ) ein und verfolgt eine klare Agenda für ein respektvolles Miteinander in unserem Land.
Trotz einer weit verbreiteten positiven Grundhaltung in unserer Gesellschaft und mannigfaltiger Initiativen der Landesregierung begegnen viele LSBTTIQ-Personen auch in Baden-Württemberg nach wie vor Ausgrenzung, Vorurteilen und Zugangsbarrieren. Demgegenüber ist es für eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und für volle gesellschaftliche Teilhabe essenziell, dass jeder Mensch – ungeachtet seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität – gesellschaftlich geachtet wird und sein Leben ohne Benachteiligung und Diskriminierung führen kann. Deshalb normiert der Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg das ausdrückliche Ziel, gleiche Chancen und gleiche Rechte in allen gesellschaftlichen Bereichen – egal ob in der Stadt oder auf dem Land, in der Bildung oder in der Jugendarbeit, im Familienleben oder in der Arbeitswelt – zu schaffen. Insbesondere Hassrede und Hasskriminalität greifen diesen Konsens und unsere Gesellschaft insgesamt an, weil sie individuelle Rechte, Menschenwürde und Gleichheit bedrohen.
Das Europäische Parlament hat am 11. März 2021 mit der Ausrufung der Europäischen Union zum „Freiheitsraum für LSBTTIQ-Personen“ auf die queerfeindlichen Entwicklungen in einigen EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Polen und Ungarn, reagiert und deutlich gemacht, dass LSBTTIQ-Personen überall in der Europäischen Union die Freiheit haben müssen, ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität frei und öffentlich leben zu können, ohne Angst vor Ausgrenzung, Diskriminierung oder Gewalt zu haben. Wir halten es für ein wichtiges Signal, dass der Landtag von Baden-Württemberg diese klare Haltung bekräftigt und Baden-Württemberg zum „Freiheitsraum für LSBTTIQ-Personen“ erklärt.
Die Landesregierung wird auch weiterhin vielfältige Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LSBTTIQ-Personen ergreifen. Dies betrifft beispielsweise die Weiterentwicklung des Aktionsplans „Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg“, die Bekämpfung von Hasskriminalität gegen LSBTTIQ-Personen, das Eintreten für einen effektiven Diskriminierungsschutz und den Einsatz für die Menschenrechte von LSBTTIQ-Personen auch im europäischen und internationalen Kontext.