Stellungnahme des Regenbogen-Referat zum BZ-Artikel: „Ist der Freiburger CSD nur noch eine laute Technoparty?“


Quelle: https://www.facebook.com/notes/1021545548317361/


Das Regenbogen-Referat distanziert sich mit dem folgenden Leser*innenbrief an die Badische Zeitung klar von der Darstellung der BZ in ihrem Artikel: „Ist der Freiburger CSD nur noch eine laute Technoparty?“.

Schlechter Journalismus rettet den CSD Freiburg auch nicht

Das Regenbogen-Referat für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt des AStA der Universität Freiburg hat die Artikel der Badischen Zeitung zum CSD mit Bestürzung und Wut gelesen. Der Christopher Street Day geht auf die Proteste in der New Yorker Christopher Street 1969 zurück, die sich gegen Diskriminierung und Gewalt gegen queere Personen richtete. Auch heute stellt der Christopher Street Day die Themen in den Vordergrund, die aktuell die queere Szene beschäftigen, so zum Beispiel „Mein Herz schlägt gegen Rechts“, das Freiburger Motto 2016, das sich unter anderem mit der Gewalt gegen queere Menschen in Freiburg auseinandersetzte. Das dominierende Thema dieses Jahres war die „Ehe
für Alle“, die im Vorfeld wochenlang medienwirksam diskutiert und am Vortag der Demonstration beschlossen wurde – eine Tatsache, die sicher auch den großen Andrang trotz Regenwetter erklärt. CSDs stehen damit in der Tradition emanzipatorischer und politischer Proteste und sollen genau deshalb laut, sichtbar und politisch sein. Ein Vergleich mit einem Marathon hinkt schon allein deshalb, da eine politische Demonstration, bei der es um Menschenrechte geht, etwas anderes ist als eine Sport- und Spaßveranstaltung. Insbesondere in einer Stadt wie Freiburg ist ein politischer, lauter und sichtbarer CSD relevant, denn wie in einem kürzlichen Vernetzungstreffen queerer Organisationen herauskam, haben queere Gruppen zu wenig Finanzmittel, kaum hauptamtliche Stellen und zu wenige Räumlichkeiten. Außerdem ist in der Stadtverwaltung keine explizite Ansprechperson für queere Belange benannt. Das CSD-Team hat bereits in einem offenen Brief darauf hingewiesen, dass z.B. von Seiten der Stadt vorgeschlagen wurde, den CSD an der Messe abzuhalten. Damit sollte der CSD bereits im Vorhinein von Seiten der Stadt seiner Sichtbarkeit beraubt werden.

Insbesondere die Diffamierung des CSD-Orgateams wollen wir kritisieren. Das Organisationsteam, das ausschließlich ehrenamtlich eine der größten Demonstrationen in Freiburg jedes Jahr organisiert, hatte nicht nur ein ausführliches Positionspapier veröffentlicht, sondern auch mehrmals teilnehmende Gruppen zu politischen Slogans aufgefordert. Dass der CSD als eine unpolitische Technoparty wahrgenommen wird, ist damit nicht die Schuld des CSD-Orgateams, sondern liegt an den einzelnen Gruppen, die das Gesicht des CSDs bilden. Wir teilen die Kritik, insbesondere an lauten, unpolitischen Techno-Wägen, die die Teilnahme für Menschen mit sensorischen Behinderungen und die Teilnahme von Regenbogenfamilien erschwerte. Allerdings sehen wir hier nicht das CSD-Orgateam in der Verantwortung, sondern die Gruppen und Organisationen, die diese Wägen organisieren.

Die BZ-Artikel widersprechen sich allerdings selbst: Zum einen wird über die Darstellung des CSDs als Hetero-Technoparty der Anschein erweckt, der CSD sei unpolitisch, gleichzeitig wird die Anwesenheit politisch überladener linker Gruppen und linker Forderungen – offensichtlich nicht die ‚richtige‘ Politik – kritisiert. Unterdrückungsverhältnisse wie Homo- und Trans*Feindlichkeit hängen eng mit anderen Unterdrückungsverhältnissen wie Rassismus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit zusammen, weswegen sie auch gemeinsam thematisiert und dekonstruiert werden. Die Community wird hierbei nicht missbraucht (so der zitierte Vorwurf von Betty BBQ, der auch noch gesponsort über facebook verbreitet wurde), sie wird in einen größeren emanzipatorischen Kampf eingebunden, ohne den eine wirkliche Gleichstellung nicht zu erreichen ist.

Über die verwendeten Bilder in den Artikeln wie ‚Scherbenmeer‘ und ‚verbrannte Erde‘ werden auf plumpe Weise Vorstellungen von Zerstörung und Gewalt evoziert und der CSD gezielt in eine Ecke mit den Hamburger G20-Protesten gestellt: Den schwarzen Block Freiburgs gibt es fast schon – noch tanzt er zu Techno unter der Regenbogen-Fahne. Damit wird dem CSD seine wichtige politische Position abgesprochen. Artikel, die über CSDs und die queere Community berichten, ohne die richtigen Begriffe zu verwenden (oder Begriffe vergessen und unsichtbar machen wie A_sexualität) und komplett auf geschlechtergerechte Sprache verzichtet, die u.a. trans* und inter*-Personen sichtbar machen könnte, tragen nicht zu einer konstruktiven, respektvollen Debatte bei, sie diffamieren den CSD und die queere Community und machen wirklich wichtige Anliegen unsichtbar. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Informant*innen ohne Angabe deren Namen und Positionen innerhalb der Community mit schwammiger Kritik zitiert werden.

Ja, auch uns sind viele gegengeschlechtlich knutschende Paare auf dem CSD aufgefallen. Abgesehen davon, dass es sich auch um bi+sexuelle und/oder trans* bzw. inter* Personen handeln könnte – eine Kritik der Vereinnahmung von cis-heterosexuellen Personen des CSDs darf sich hierbei aber nicht an das CSD-Orga-Team richten, sondern an die Gruppen, die wie Betty BBQ explizit heterosexuelle Personen aufgefordert hatten, am CSD teilzunehmen.

Der bereits meinungsgefärbte Artikel sowie der Kommentar, die vom selben Autor verfasst wurden und exemplarisch für schlechten Journalismus stehen können, tragen nicht dazu bei, Debatten in der Community zu eröffnen, sondern die Community zu spalten und gegeneinander aufzubringen. Außerdem sind sie rufschädigend und demotivierend für das CSD-Team, bei dem man sich nicht wundern muss, wenn es den CSD wahrscheinlich nicht weiter organisieren will. Und dann gibt es diese wichtige, politische Veranstaltung nicht mehr, die vor allem dazu dient, auf Missstände aufmerksam zu machen. Genau dies ist das Ergebnis solcher Artikel und von städtischer Gleichgültigkeit. Viele queere Gruppen haben dagegen bereits beschlossen, sich im nächsten Jahr stärker in die Organisation des CSDs einzubringen. Das ist konstruktiv.

Wir solidarisieren uns hiermit mit dem CSD-Team und danken ihm für seine großen Mühen.

Das Regenbogen-Referat für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt des AStA der Universität Freburg ist die studentische Interessensvertretung der schwulen, lesbischen, bi+sexuellen, a_sexuellen, trans*, inter*, poly* und queeren Studierenden der Universität.

https://regenbogen-referat.de/


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