Stellungnahme zu Trans* Day of Visability von Mitgliedern des Vereins TransAll Freiburg

Am 31. März ist Trans* Day of Visibility, also ein Tag für trans* Sichtbarkeit in der Gesellschaft.
Leider haben wir hier nicht allzu viel Positives zu sagen.

Während trans* Frauen und trans* feminine Menschen oft als Klischees, Karikaturen, Zerr- und Feindbilder weite Verbreitung in den Medien finden, wie wir erst vor wenigen Tagen (28.03.2021) im Tatort Wien sehen mussten, leiden trans* Männer, trans* maskuline Menschen und besonders agender und nicht-binäre Menschen unter medialer Unsichtbarkeit.

Aufgrund dieser Unterrepräsentation in den Medien sind agender und nicht-binäre Menschen auch in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft nicht existent. Von staatlicher Anerkennung durch einen Zugang zu Vornamens- und Personenstandsänderung, über alltägliche Negierung der Existenz beim online Kauf eines Bahn-Tickets bis zum unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung durch fehlende Leitlinien, werden agender und nicht-binäre Menschen ins gesellschaftliche Abseits abgedrängt. (Nein, Intergeschlechtlichkeit und Agender, sowie Nicht-Binärität sind nicht dasselbe. Intergeschlechtlichkeit ist eine biologische und Identitäts- Kategorie. Agender und Nicht-Binärität sind Identitäts- Kategorien die von dyadisch bzw. endogeschlechtlich wie auch intergeschlechtlichen Menschen verwendet werden – nur um das mal klarzustellen.) Aber trotz dieser fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung sind wir hier und kämpfen weiter für unsere Rechte!

Die Unwissenheit der cis-Gesellschaft führt zu absurden Erwartungshaltungen: Solange trans* Männer sich nicht hypermaskulin, trans* Frauen nicht hyperfeminin, agender und nicht-binäre Menschen nicht pixie-androgyn geben (und selbst dann), wird ihre Geschlechtsidentität in trauriger Regelmäßigkeit in Frage gestellt, oder als „das Andere“ inszeniert. Feministische Räume sind da keine Ausnahme. Wenn wir (euch) nicht passen, schmeißt ihr uns raus, auch wenn ihr die Räume extra zu FLINTA-Räumen erklärt habt. Eure Räume sind für uns nicht zugänglich. Euer „Frauen“ kotzt uns an. Eure FLINTA Gruppen aus cis weiblichen Menschen kotzt uns an. Aus dieser cis-gesellschaftlichen Erwartungshaltung ergibt sich eine institutionalisierte Transfeindlichkeit – nämlich, dass cis Menschen sich gerechtfertigt fühlen, Entscheidungen darüber zu treffen, wie unsere Körper aussehen sollten. Transitionierende Menschen stehen zu diesen Menschen in der Politik, der Verwaltung und dem Gesundheitssystem in einem starken Abhängigkeitsverhältnis. Wenn Therapeutinnen entscheiden, dass die zu therapierende Person nicht trans genug ist, kann sie ihr lebensnotwendige Behandlungen (z.B. Hormontherapie oder Operationen) vorenthalten. So sind wir weiterhin gezwungen, in unserer Geschlechtspräsentation alle Klischees des eigenen Geschlechts wiederzugeben, um gesellschaftliche Anerkennung und dadurch die nötige medizinische Behandlung zu erlangen.

Aussehen ist aber komplett unabhängig vom Geschlecht: auch trans* Frauen können kurze Haare haben und auch trans* Männer können Röcke tragen, agender und nicht-binäre Menschen können feminin, maskulin und androgyn sein. Häufig wird vergessen, dass binäre Geschlechterrollen, und alles was daran hängt, Produkte des Patriachats und des Kolonialismus sind.

Die geschlechtliche Binärität (die Vorstellung, dass es nur zwei sich gegenüberstehende Geschlechter gibt) ist eine koloniale Erfindung des 19. Jh.. Weiße Wissenschaftlerinnen argumentierten, dass weißen Menschen durch ihre klar sichtbare Aufteilung in Frauen und Männer überlegen seien. Schwarze Menschen, Indigene Menschen und andere Menschen of Color (BIPOC) wurden als geschlechtlich nicht unterscheidbar angesehen, was ihrer „Unterentwickeltheit“ zugeschrieben wurde. Wir sind solidarisch mit allen Menschen, die durch diese Denkweise Schaden erlitten haben und weiter erleiden. Aufgrund der bisher beschriebenen Umstände ist eine Transition für alle trans Menschen weiterhin mit großen Hürden und Abhängigkeiten verbunden und ein unnötig aufreibender, unsicherer, willkürlicher Prozess. Das zugrunde liegende Gesetz ist 40 Jahre alt und entspricht nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Wir fordern ein Selbstbestimmungsgesetz, das unter Einbeziehung der Betroffenenverbände erarbeitet wird, denn es kann nicht sein, dass 2021 noch immer das Gesundheitssystem die Entscheidungshoheit darüber zugesprochen bekommt, welches Geschlecht ein Mensch hat, wer mensch sein darf und was mensch mit seinem Körper tun darf!
Wir fordern ein Selbstbestimmungsgesetz, das es allen Menschen erlaubt, ihren Geschlechtseintrag unproblematisch und ohne Abhängigkeit vom Wohlwollen und (Un-)verständnis der Ärztinnenschaft ändern zu lassen. Ein Gesetz, dass trans Menschen schützt und unterstützt, statt sie misstrauisch zu regulieren. Den Ausbau von Beratungsstellen, verbesserten Schutz vor Diskriminierung in Schule, Uni und am Arbeitsplatz, das Mitdenken von agender und nicht-binären Menschen im Alltag, in (Online-)Formularen und beim Bau von öffentlichen Gebäuden.

Nichtsdestotrotz ist der Trans Day of Visibility auch ein positiver Tag, der die Community und ihre Errungenschaften feiert. In Freiburg hat der Verein TransAll eine aktive Gemeinschaft geschaffen, in der trans* Menschen Austausch, Unterstützung, Beratung und Freundschaft finden können. An der Uni Freiburg kann mensch mit einem Ergänzungsausweis schon vor der offiziellen Namens- und Personenstandsänderung diese Dinge in den Akten ändern lassen, was sich andere Unis zum Beispiel nehmen sollten. Seit Kurzem gibt es auch eine Gruppe für die Partnerinnen von trans Menschen. Auch sonst tun sich zum Glück einige Dinge. Bei Fluss e.V. bekommen trans* und nicht-binäre Menschen und ihre Themen durch die Podcastreihe „Sichtbar in Freiburg“ eine positive, ehrliche Sichtbarkeit. Die relevanten Folgen laufen heute bei Radio Dreyeckland, genau wie eine Musiksendung mit trans* Künstlerinnen und Diskussion. Auch in Serien kommen trans Charaktere immer häufiger vor. Für uns ist es daher auch ein Tag, um uns zu freuen, zu dieser Gemeinschaft zu gehören, ohne die eine Transition noch viel einsamer und schwieriger wäre.

Zum Schluss noch ein Appell an uns selbst. Es ist wichtig, unsere Gemeinschaft möglichst inklusiv zu gestalten, damit wirklich alle, die suchen, sich orientieren wollen oder sich im Prozess der Transition befinden, Zugang zu ihr haben. Es gibt überdurchschnittlich viele neurodiverse trans* Menschen. Für diese Menschen ist es umso wichtiger, Unterstützung von der Community zu erhalten, da sie schon im Transitionsprozess mit doppelten Hürden beim Umgang mit Ärztinnen und Behörden zu kämpfen haben. Oft wird ihnen auch grundsätzlich die Kompetenz abgesprochen, sich zum Thema Geschlecht überhaupt unbeeinflusst äußern zu können. Umso wichtiger, dass wir unsere Treffen und Angebote gemeinsam so gestalten, dass sie für neurodiverse trans Menschen zugänglich und angenehm sind.

Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind eine starke Community und wir werden uns weiterhin gegenseitig unterstützen und Gehör verschaffen!

Quelle:

https://www.facebook.com/TransAllFreiburg/posts/855085388379480

https://trans-all.org/